spannende technik und unheimliche dunkelheit

von eva merker 23. Jul 2007 14:54

die gossen kanäle in Belgien und Frankreich hatten aber auch die ein oder andere tolle überaschung für uns parat. so haben wir 2x per lift einen höhenunterschied von jeweils etwa 80 m überwunden. eine der liftschleusen bestand aus 2 grossen wasserbecken, ca 120x18 m gross. diese wurden nach der einfahrt geschlossen und vom kanal abgekoppelt, dann wurden die becken über ein zahnrad-schienensystem schräg den berg hochgezogen, bzw. herabgelassen. der andere lift war etwa genauso gross, ähnelte aber eher einem gewöhnlichen aufzug, bloss überdimensioniert. wir sind in ein gebäude eingefahren, das becken wurde wieder abgekoppelt und diesmal ging es 80 m senkrecht bergab. das ganze dauerte etwa eine halbe stunde und wir waren besonders überrascht darüber, dass dieses monstrum an technik für unser kleines boot (im vergleich zu den 120-meter-binnenschiffen) in gang gesetzt wurde. wir sahen wie verloren aus, alleine in dem grossen becken. die anderen beeindruckenden erlebnisse waren die fahrten durch 4-5 km lange tunnel, die uns, nur mässig beleuchtet und kerzengerade unter bergmassiven durchführten. es war garnicht so leicht über 30 minuten den kurs exakt zu halten, aber die tunnel waren so schmal, dass man auch keinem anderen boot darin hätte begegnen dürfen. deshalb wurden die einfahrten durch ampeln geregelt und man hatte erstmal bis zu einer std. wartezeit, bis es losging.

gestank und neues leben

von eva merker 23. Jul 2007 14:52

andere begegnungen in den kanälen waren weniger amüsant und haben sich schon lange vor blickkontakt durch einen unbeschreiblichen gestank angekündigt. so haben wir, seit wir weiter in das landesinnere eingedrungen sind, immer häufiger tierleichen gesehen, die, halb verwest und dick aufgeblasen, auf dem wasser treiben. als wir letztes jahr im herbst von berlin nach holland gefahren sind, haben wir nur ein paar tote fische gesehen, und ab und zu mal einen vogel. in den letzten 3 wochen haben wir 3 tote katzen, 1 hund, 1 dachs, 2 marder, 1 ratte, 5 schafe, 1 schwein, 1 igel, ein paar vögel und weitere tiere, die nicht mehr zu identifizieren waren, gezählt. nicht zu vergessen, die vielen toten fische tagtäglich. liegt das daran, dass die tiere im frühling übermütiger sind als sonst, und vor lauter lebensfreude bei ihrem spiel die kanäle mit ihrem stehenden grünen wasser auf dem lauter grünzeug schwimmt, zu spät als wasserlauf erkennen? die ufer sind meistens steil und glatt, und so können sie sich nicht mehr ans ufer retten. so muss es wohl sein. als ausgleich und um daran zu erinnern, dass leben ohne tod nicht existieren kann, und andersherum, sehen wir täglich einige entenfamilien, oft mit 10-15 kleinen kücken. doch leider spielen sich auch hier dramen ab. das ein oder andere kleine kücken ist zu unerschrocken und neugierig und geht bei seiner entdeckungstour verloren. als ich das erste winzige, quiekende entenbaby, allein und gefangen in einer grossen, sprudelnden schleuse, sah, brach es mir fast das herz und ich riskierte meinen eigenen kopf bei dem versuch es einzusammeln. es war unmöglich. im nachhinein betrachtet, war das wohl auch besser so, denn hätte ich ein kücken aufgenommen, hätte ich die anderen einsamen seelen ja kaum ihrem traurigen schicksal überlassen können. dann hätte ich mittlerweile einen enten-kindergarten von 6 kleinen babys. davon mal abgesehen, ich hätte ja nichtmal gewusst, womit ich die kleinen tierchen füttern kann, und wie hätte ich ihnen vormachen sollen, wie das gründeln geht? mit französichem baguette wären sie mir bestimmt bald eingegangen. so sind die entchen ihrem von der natur bestimmten schicksal überlassen, so wie wir auch. mit sowas muss ich wohl umgehen können.

begegnungen

von eva merker 28. Jun 2007 22:44

der einzige nachteil dieser kanäle war allerdings ihre geringe wassertiefe, so dass wir bei unseren 1,70 m tiefgang mehr als einmal im schlamm steckenblieben. es gab vor den schleusen nur selten befestigungsmöglichkeiten für wartende schiffe, und auch auf dem rest der strecke viel zu wenige anlegestellen (und auch die waren oft unzureichend tief). so mussten wir 3x den kiel im schlick festfahren um die nacht oder die mittagspause rumzubringen. einmal hatten wir glück und durften an einem "dicken" festmachen, mussten dafür beim ersten hahnenschrei aber wieder raus, sonst wären wir, festgebunden an ein berufsschiff, wieder zurück gefahren. ein paar interessante begegnungen hatten wir auch in dieser zeit. einmal haben wir uns über einen tag und eine strecke von ca. 15 schleusen, diese mit einem englischen ehepaar auf ihrem motorboot geteilt. die beiden lieferten uns ein amüsantes schauspiel und wir konnten uns ein paar englische marine-manieren von ihnen abgucken. wärend die frau das boot gesteuert hat, hat er nach jeder schleuse die fender (das sind die bälle, die den stoss beim anlegen abdämpfen) einzeln und in 2 schritten, grobe vor- und feine nacharbeit, aufpoliert. die schleusenwände sind ziemlich schmutzig und schleimig, und nach jeder schleuse hängt derselbe dreck wie schon vorher daran. aber er hielt es anscheinend für notwendig um die schleusen wohlgesinnt zu stimmen. leider hat es nichts gebracht und seine flüche und schreie bei jedem schleusengang waren nicht zu überhören.

ein anderes mal ,wir wollten gerade ins bett gehen, rief plötzlich eine stimme nach "monsieur de bateau" und es klopfte ans boot. oje, die bullen!-dachten wir zuerst, ein gedanke der einem komischerweise in solchen situationen immer als erstes kommt, wenn man in bayern grossgeworden ist. aber es war nur ein etwas verstörter jugendlicher, der nach etwas wasser und nach nähzeug fragte. er hatte eine schusswunde in der wade, die unübersehbar zwei löcher hatte. das einschussloch und das, an dem das geschoss wieder ausgetreten war. es waren allerdings recht kleine löcher, und zum arzt gehen wollte er auf garkeinen fall. er sprach zwar viel, aber kein englisch, und es hat lange gedauert, bis wir herausgehört hatten, dass ihn wohl sein bruder angeschossen hatte, weil er ihm heroin aus der tasche geklaut hatte. nur um dieses zu vernichten selbstverständlich. es entstand ein gerangel und sein vater hatte ihn dann, trotz der schusswunde zum teufel gejagt, weil er ja den bruder bestohlen hatte. das nähzeug haben wir ihm nicht gegeben, aber was zum desinfizieren und verbandszeug. damit es ganz besonders dramatisch aussieht, hat er seine zigarette, gut hinter der hand versteckt, mit schmerzverzerrtem gesicht auf die wunde gedrückt. hm. und dann ist er mit einer cd-hülle, die wir ihm geliehen haben, kurz verschwunden um sich irgendwelche drogen reinzuziehen. keine ahnung, was wir von dem kerlchen halten sollten. er wollte noch so dies und jenes, aber ist dann doch irgendwann wieder abgezogen und kam nicht wieder.

fortsetzung folgt.........................................

unsere irrfahrt durch die kanäle

von eva merker 28. Jun 2007 22:28

am 12. april erreichen wir Namur und somit die Maas. Namur ist ein schönes städtchen, hübsche kirchen, enge gassen mit gemütlichen cafes und umgeben von grünen hügeln. auf einem der hügel steht eine imposante festung, die wir am nächsten tag besichtigen. dann decken wir uns nochmal grosszügig mit proviant ein und gehen abends unser 1. bier auswärts trinken. am nächsten tag geht die fahrt auf der Maas los, immer richtung süden, dem mittelmeer entgegen. nach den hässlichen kanälen, die wir bisher größtenteils befahren haben, kommt uns die Maas wie ein verzauberter fluss in einer traumhaften märchenwelt vor. die landschaft ist einmalig schön, alles um uns ist grün und steht in voller blüte. der fluss schlängelt sich durch ein grünes tal in dem sich hübsche orte aneinanderreihen, in denen jedes stinknormale haus aussieht wie ein kleines schloss, mit vielen türmchen, erkern und verwachsenen gärten. dazu thronen auf vielen hügeln alte burgen, schlösser oder ihre ruinen.es ist wirklich unbeschreiblich schön hier und laut berichten soll die landschaft weiter südlich noch viel schöner werden. als wie am 3. tag auf der Maas in die 1. schleuse einfahren, trifft uns die nachricht des schleusenwärters wie ein schlag: dieser abschnitt des kanals ist für einen monat gesperrt! es gibt keine weiterfahrt nach frankreich auf diesem wege. wir können es nicht glauben und wollen es nicht wahrhaben. so lange sind wir durch industriegebiete gefahren und haben deren gestank eingeatmet, endlich haben wir den hässlichsten abschnitt der kanäle die auf unserer route liegen hinter uns gelassen. endlich hatten wir ein bisschen das gefühl von urlaub, und jetzt soll es nicht weitergehen? wir schauen in unsere karten. es gibt natürlich alternativen, andere wege um nach frankreich und weiter ins mittermeer zu gelangen. aber wir hatten uns so sehr auf genau diese schöne route gefreut. ausserdem war die aussicht, den gleichen trostlosen kanal von Namur bis Charleroi wieder zurückzufahren, nicht sehr erfreulich. und auch ab Charleroi gibt es laut karte nur industrie auf der strecke.abgesehen davon bedeutet es einen grossen umweg für uns, weil wir die kanalstrecke auf so grossem weg umfahren müssen, dass wir erst im unteren drittel frankreichs wieder auf die ursprüngliche route stossen werden. aber da gibt es nun mal keine andere lösung, da müssen wir durch. nur um ganz sicher zu gehen, dass wir den schleusenwart auch wirklich richtig verstanden haben, bittet Börni Anne, eine französische freundin, bei den zuständigen behörden anzurufen und sich nach der richtigkeit dieser information zu erkundigen. die darauffolgende bestätigung hätten wir llieber nicht hören wollen: der kanal wurde an genau dem tag gesperrt an dem wir dort ankamen! wären wir also nur einen tag eher da gewesen, hätten wir ihn noch passieren können!! es ist wirklich nicht fair. wir haben genau 2 tage verloren, weil wir erst wegen der osterfeiertage nicht weiterfahren konnten (schleusen hatten dicht) und wir dann, als wir schon kurz vor Namur waren, auch noch 1 tag vor einer kaputten schleuse absitzen mussten. aber der name unseres geliebten bootes ist KISMET. und schicksal ist schicksal ist schicksal. wir müssen uns damit abfinden. und wer weiss schon wofür es gut ist.....

wir fahren also den fürchterlich stinkenden und tristen kanal zurück. ich frage mich, warum einige leute ihre kostbare zeit dafür verschwenden, mit angelruten in der hand den ganzen tag am kanalufer rumzusitzen; ich meine, sie bräuchten doch nur mit keschern oder netzen die fische einsammeln, die eh schon an der wasseroberfläche treiben.... wir erreichen charleroi, hier geht es langsam wieder südwestlich, und in 2 tagen müssten wir dann Frankreich erreichen. die letzte der schleusen, die wir schon kannten, denn hier sind wir vor einer woche in die Sambre richtung Namur eingebogen. gerade als wir aus der schleuse ausfahren wollen, winkt uns der schleusenwart nochmal zu - ob wir nach frankreich wollen, fragt er in ziemlich gutem deutsch. JA! -das geht nicht, auf diesem kanal ist eine brücke eingestürzt, er ist für 3 JAHRE GESPERRT!! Okay. ja. danke. wir verlassen die schleuse. Börni geht zum rumfass. ich versuche nichts zu denken und nichts zu fühlen. enfach weiterfahren. weiter zurück. zurück richtung nordsee. bald sind wir wieder da, wo wir losgefahren sind. die nächsten tage verlaufen nicht besonders erheiternd. es gibt zwar einen 3. kanal der nach frankreich führt, aber wir müssen einen noch grösseren bogen fahren. und man muss sich mal vorstellen, dass wir kaum schneller als zügige schrittgeschwindigkeit fahren, gemütlich laufende jogger überholen uns leicht. da kostet einen jeder tag, den man weiter zurückfahren muss, grosse mentale überwindung. die schleusen nicht zu vergessen. einen tag darauf stehen wir vor einer abzweigung in einen verbindungskanal, der nur noch in unserer binnengewässerkarte existiert. der umweg kostet uns einen weiteren tag. ohne worte. an diesem punkt stellen wir fest, dass wir für die fahrt hierher von unserem ausgangshafen in holland aus, etwa 3 tage gebrauch hätten, wenn wir den direkten weg eingeschlagen hätten. vor 3 wochen sind wir losgefahren. da dachten wir noch, wir nehmen den kürzesten weg, aber dieser ist tatsächlich nicht immer der schnellste. dann haben wir endlich den canal du nord und somit auch frankreich erreicht, als weitere ereignisse unsere laune trüben. die schleusen in diesem kanal sind die bisher heftigsten, die wir passieren mussten. es gibt schlechte und nur wenige befestigungsmöglichkeiten und die strömungen und strudel in den schleusen sind so stark, dass unser 10 tonnen-schiff ganz schön gebeutelt wird. wenn dann ein grosser frachter mit in der schleuse ist, können wir Kismet kaum noch halten. bei diesen aktionen haben wir nicht nur die ein oder andere delle und schramme in den bootsrumpf gefahren, wir machen uns auch noch beide unsere rücken kaputt. wir können uns kaum noch bewegen und trauen uns erstmal keine dieser schleusen mehr zu. wir wissen nicht ob vor oder zurück. unsere berechnungen ergeben, dass wir auf dem weg nach marseille noch ca. 230 schleusen vor uns haben. alleine ein kanal hat auf einer länge von 220km 114 schleusen! und auf die zuverlässigkeit der schleusen und kanäle ist ja, wie wir bisher erleben durften, nicht umbedingt zu bauen. wir ringen ganz schön mit uns. wie soll man nach so vielen rückschlägen noch eine überzeugte entscheidung treffen? es gibt jetzt 2 möglichkeiten. den langen binnenweg ins mittelmeer oder einen relativ kurzen in die nordsee. wir haben beide keinen bock mehr auf die kanäle, aber auch ziemlich grossen respekt vor der alternative, die biskaya. und das gleich am anfang, ohne sich vorher richtig einsegeln zu können.. nachdem sich unsere rücken wieder erholt haben, fahren wir am 21. april den kanal du nord bis zu der abzweigung, an der eine letzte entscheidung getroffen werden muss. wir wissen später nicht mehr genau, wie es dazu kam, dass wir richtung südost abgebogen sind.es muss wohl intuition gewesen sein. auf einmal befinden wir uns in einer anderen welt. hübsche, kleine kanäle, von wild bewachsenen ufern gesäumt, dörfer, in denen die zeit stehengeblieben zu sein scheint. und vor allem, das wichtigste: süsse, kleine schleusen, die langsam gefüllt oder geleert werden, so dass keine starken strudel erzeugt werden, ausserdem mit höchstens 3-4 metern höhenunterschied. bei der einfahrt in die erste dieser schleusen hätten wir vor erleichterung beide fast geweint. das tollste daran war, dass man eine fernbedienung in die hand bekam, mit der man die schleusen selbst bedienen konnte, so konnten wir erstmal in ruhe mit allen leinen festmachen und dann den schleusenvorgang starten. ausserdem waren die kanäle nicht besonders stark befahren und wir hatten die schleuse meist für uns alleine. vor den grossen frachtern hatten wir jetzt auch einige zeit unsere ruhe, die passen gar nicht in die kanäle. je weiter wir in das landesinnere eindrangen, desto einfacher und persönlicher wurde die schleuserei. wir hatten auf einem langen abschnitt unsere eigenen schleusenwärter, die mit dem auto oder manchmal auch mit dem fahrrad neben uns herfuhren und uns jede schleuse per hand öffneten oder schlossen und hubbrücken aufkurbelten. nach einer bestimmten strecke wurden die wärter/innen dann von kollegen abgelöst, die die nächste teilstrecke übernahmen. man musste immer schon abends bescheid geben, wann man am nächsten tag weiterfahren will, damit an der ersten schleuse jemand parat stand. natürlich gab es auch eine mittagspause und punkt 18 uhr feierabend.